Ess­stö­run­gen

QUICK LINKS:

Was sind Essstörungen?

Gene­rell spricht man bei Ess­stö­run­gen von psy­chi­schen Erkran­kun­gen.
Ess­stö­run­gen kön­nen aus vie­len Grün­den ent­ste­hen. Die Ursa­chen lie­gen meist in einer Kom­bi­na­ti­on aus fami­liä­ren, per­sön­li­chen, bio­lo­gi­schen und gesell­schaft­li­chen Fak­to­ren. Aus­ge­löst wer­den kann die Ess­stö­rung durch belas­ten­de Ereig­nis­se im Leben (z.B. Pro­ble­me in der Schu­le, Aus­gren­zung durch Gleich­alt­ri­ge, Lie­bes­kum­mer etc.). Es zeigt sich auch ein ein­deu­ti­ger Zusam­men­hang zwi­schen dem Schön­heits­ide­al, das in west­li­chen Indus­trie­län­dern vor­ge­ge­ben wird, und der Kör­pe­run­zu­frie­den­heit von Jugend­li­chen. Die­ses Ide­al wird tag­täg­lich über vie­le ver­schie­de­ne Medi­en ver­mit­telt, sodass eine Beein­flus­sung der eige­nen Selbst­wahr­neh­mung meist auf unbe­wuss­ter Ebe­ne erfolgt. Im direk­ten Ver­gleich kön­nen die meis­ten Men­schen die­sem Kör­pe­ride­al nicht ent­spre­chen, was beson­ders bei jun­gen Men­schen häu­fig zu gro­ßer Ver­un­si­che­rung und in der Fol­ge zu ers­ten Diät­ver­su­chen führt.

…und wie erkennt man sie?

Es gibt unter­schied­li­che Aus­prä­gun­gen von Ess­stö­run­gen, wobei die­se oft schwer von­ein­an­der zu tren­nen sind. Misch­for­men sind also sehr häu­fig. Die am wei­test ver­brei­te­ten Aus­prä­gun­gen von Ess­stö­run­gen sind:

Mager­sucht

Mager­sucht wird auch als “Anorexia ner­vo­sa” bezeich­net. Das kommt aus dem Grie­chi­schen und bedeu­tet wort­wört­lich über­setzt “nerv­lich beding­te Appetitlosigkeit”.

Typi­sche Merk­ma­le sind:

  • Angst vor Gewichtszunahme.
  • Ein­ge­schränk­te Nah­rungs­auf­nah­me, Ver­mei­dung von Nahrung.
  • Ver­zerr­te Wahr­neh­mung der eige­nen Figur.
  • Stei­ge­rung der kör­per­li­chen Aktivität.
  • Über­trie­ben gro­ßer Ein­fluss des eige­nen Kör­per­ge­wichts oder der Figur auf die eige­ne Selbstbewertung.
  • Kon­zen­tra­ti­ons- und Schlaf­stö­run­gen, depres­si­ve Verstimmungen.
  • Kör­per­li­che Sym­pto­me wie Kreis­lauf­pro­ble­me, Man­gel­er­schei­nun­gen, Mus­kel­schwä­che, Haar­aus­fall etc.
Buli­mie

Im gesam­ten “Buli­mia ner­vo­sa” genannt, bedeu­tet der grie­chi­sche Aus­druck auf deutsch “nerv­lich beding­tes Ver­lan­gen”. Buli­mie weist vie­le Par­al­le­len zur Mager­sucht auf. Die Krank­heit wird dadurch cha­rak­te­ri­siert, dass gro­ße Nah­rungs­men­gen unkon­trol­liert auf­ge­nom­men und durch selbst her­bei­ge­führ­tes Erbre­chen oder ande­re Maß­nah­men wie­der los­ge­wor­den werden.

Typi­sche Merk­ma­le sind:

  • Gro­ße Nah­rungs­men­ge, die inner­halb von einer kur­zen Zeit­span­ne zu sich genom­men wird, auch “Ess­an­fäl­le” genannt.
  • Wie­der­hol­tes Anwen­den von Maß­nah­men (z.B.: Medi­ka­men­te, Fas­ten oder über­mä­ßi­ge kör­per­li­che Betä­ti­gung), die einer Gewichts­zu­nah­me ent­ge­gen­wir­ken sollen.
  • Ess­an­fäl­le tre­ten im Durch­schnitt 1x pro Woche über einem Zeit­raum von 3 Mona­ten auf.
  • Figur und Kör­per­ge­wicht haben einen star­ken Ein­fluss auf die Selbstbewertung.
Bin­ge-Eating-Stö­rung

“To bin­ge” kommt aus dem Eng­li­schen und bedeu­tet “sich mit etwas voll­stop­fen”. Das Haupt­merk­mal an der Bin­ge-Eating Stö­rung sind sich wie­der­ho­len­de Ess­an­fäl­le, aber im Gegen­satz zur Buli­mie ent­steht kein Ver­hal­ten zur Kom­pen­sa­ti­on die­ser Anfäl­le.
Merk­ma­le von Bin­ge-Eating sind unter anderem:

  • Gefüh­le des Ekels gegen­über sich selbst, Depri­miert­heit nach dem Essen.
  • Deut­lich schnel­le­res Essen.
  • Essen ohne Gesell­schaft auf­grund von Schamgefühlen.
  • Kein Ver­hal­ten zur Kom­pen­sa­ti­on die­ser Anfäl­le (wie über­trie­be­ner Sport, selbst her­bei­ge­führ­tes Über­ge­ben etc.)
  • Essen von gro­ßen Men­gen, bis zu einem unan­ge­neh­men Völlegefühl.
  • Im Durch­schnitt tre­ten Ess­an­fäl­le 1x pro Woche über einen Zeit­raum von 3 Mona­ten auf.
Komorbität 

Ess­stö­run­gen tre­ten oft gemein­sam mit psy­chi­schen Erkran­kun­gen auf, was Kom­or­bi­tät genannt wird.

SCHNEL­LE HILFE
KOS­TEN­LOS + ANONYM

Du hast dich ent­schlos­sen etwas zu tun? 
Fin­de eine Bera­tungs­stel­le in dei­ner Nähe.

RISI­KO: No risk, no fun?

Wäh­rend des Auf­wach­sens ver­än­dern sich Kör­per, Per­sön­lich­keits­struk­tur und fami­liä­re Bezie­hun­gen stark. Das gesam­te Selbst­bild wird durch den Wan­del ver­un­si­chert und muss sich damit neu ori­en­tie­ren – eine Rei­se, die jede*r durch­ma­chen muss. Meist sind Mäd­chen frü­her dran (10,5 Jah­re), wäh­rend Bur­schen im Schnitt zwei Jah­re spä­ter (also mit 12,5 Jah­ren) die soge­nann­te Puber­tät errei­chen. Im Zen­trum des Her­an­wach­sens ste­hen in die­ser Zeit zum Beispiel:

  • der Auf­bau von Freund­schafts­be­zie­hun­gen und ers­ten inti­men Beziehungen,
  • das Bil­den von eige­nen Wertevorstellungen,
  • die schu­li­sche und beruf­li­che Ori­en­tie­rung in Rich­tung Zukunft,
  • das Ablö­sen vom Elternhaus,
  • der Auf­bau einer Geschlechteridentität.

Gera­de die Pha­se der per­sön­li­chen und kör­per­li­chen Ent­wick­lung ist für die Bil­dung von Ess­stö­run­gen beson­ders risi­ko­be­haf­tet. Wäh­rend sich näm­lich der Kör­per stark zu ver­än­dern beginnt, ori­en­tie­ren sich jun­ge Men­schen an den bestehen­den Schön­heits­idea­len. Nicht immer spielt der Kör­per bei der Ori­en­tie­rung an die­sen Idea­len mit, und es kön­nen star­ke Unzu­frie­den­hei­ten mit dem eige­nen Kör­per ent­ste­hen. Dass der Rei­fungs­pro­zess dann noch bei jeder Per­son unter­schied­lich ver­läuft und unter­schied­lich lan­ge dau­ert, führt dazu, dass beson­ders Früh- und Spätentwickler*innen dar­un­ter lei­den. Hier tau­chen oft Selbst­wert­pro­ble­me, Scham und Ängs­te im Zusam­men­hang mit dem eige­nen Kör­per auf.

Es reicht natür­lich nicht, dass der eige­ne Kör­per vie­le unge­woll­te Ver­än­de­run­gen durch­macht, auch auf sozia­ler Ebe­ne ent­wi­ckeln sich Puber­tie­ren­de stark. Beson­ders das Phä­no­men des Grup­pen- oder auch Anpas­sungs­drucks, brei­tet sich aus. Der eige­ne Kör­per wird zuneh­mend stär­ker mit dem Kör­per von ande­ren Men­schen ver­gli­chen. Neben Gleich­alt­ri­gen und sozia­len Gefü­gen im Umfeld der Jugend­li­chen wir­ken auch Medi­en einen gewis­sen Druck aus.

§

RECHT­LI­CHES: Was ist erlaubt – und was nicht?
VER­STÄN­DI­GUNGS­PFLICH­TEN DER SCHULE:

Die Pädagog*innen müs­sen die Erzie­hungs­be­rech­tig­ten infor­mie­ren, wenn das Ver­hal­ten des*r Schülers*in auf­fäl­lig ist oder wenn seine*ihre Pflich­ten nicht erfüllt wer­den. In die­sem Gespräch soll­ten För­der­maß­nah­men zur Ver­bes­se­rung der Situa­ti­on und The­men wie För­der­kon­zep­te, Ursa­chen­klä­rung und Hil­fe­stel­lung durch die Schul­psy­cho­lo­gie-Bil­dungs­be­ra­tung und den ärzt­li­chen Dienst bespro­chen wer­den. Das gilt auch für Berufsschulen.

Im Fal­le einer Per­son mit einer Ess­stö­rung in der Schul­klas­se ist es natür­lich hilf­reich, wenn die Eltern mit den Pädagog*innen eng zusam­men­ar­bei­ten. Wenn die Erzie­hungs­be­rech­tig­ten ihre Pflich­ten offen­sicht­lich nicht erfül­len oder sich in wich­ti­gen Fra­gen nicht einig wer­den kön­nen, muss das die Schul­lei­tung dem zustän­di­gen Jugend­wohl­fahrts­trä­ger mitteilen.

MYTHEN + FAK­TEN über Essstörungen

Mit dem BMI (Body-Mass-Index) kann ich mir aus­rech­nen, ob ich eine Ess­stö­rung habe.

Falsch.

Der BMI ist eine Maß­zahl zur Bewer­tung des Gewichts in Ver­bin­dung mit der Kör­per­grö­ße. Er ist nur ein gro­ber Richt­wert, weil er weder Sta­tur, noch Geschlecht, noch die indi­vi­du­el­le Zusam­men­set­zung der Kör­per­mas­se eines Men­schens berücksichtigt.

Nur Frau­en sind von Ess­stö­run­gen betroffen.

Falsch

Auch immer mehr Män­ner lei­den mitt­ler­wei­le an einer Essstörung.

Bin­ge-Eating betrifft nur höher­ge­wich­ti­ge Menschen.

Falsch.

Allein das Kör­per­ge­wicht lässt noch kei­ne Aus­sa­ge dar­über zu, ob eine Ess­stö­rung vor­liegt oder nicht.
Das Ver­hal­ten und des­sen Aus­maß der Belas­tung geben Hin­wei­se für eine pas­sen­de Diagnose.

Ess­stö­run­gen und Erziehung

Jugend­li­che mit Ess­stö­run­gen benö­ti­gen ärzt­li­che Behand­lung und psy­cho­so­zia­le Hil­fe (z.B. von Psychotherapeut*innen oder kli­ni­schen Psycholog*innen). Die Eltern benö­ti­gen meist selbst auch Unter­stüt­zung, um ihr Kind gut beglei­ten zu kön­nen, da der Umgang mit einem Kind mit einer Ess­stö­rung Belas­tun­gen, Stress und Ängs­te mit sich brin­gen kann. Wenn ein*e Schüler*in in Behand­lung ist, dau­ert die­se oft jah­re­lang. Es erfor­dert viel Geduld, bis sich der Zustand merk­lich verbessert.

Wich­tig ist immer, sich vor Augen zu hal­ten, dass es in Öster­reich ein gutes Gesund­heits­sys­tem gibt. Den Betrof­fe­nen ste­hen vie­le Ein­rich­tun­gen kos­ten­los zur Ver­fü­gung. Auch Schulärzt*innen sind dazu da, Lehrer*innen zu ent­las­ten, und etli­che Bera­tungs­stel­len bie­ten kos­ten­lo­se tele­fo­ni­sche Bera­tun­gen an, um sie im Anlass­fall zu unter­stüt­zen. Wei­te­re Kon­takt­adres­sen zu Hilfs­ein­rich­tun­gen fin­den Sie hier.

Tipps für Schulen

Zur gro­ben Ori­en­tie­rung exis­tiert ein Stu­fen­plan zum Umgang mit Schüler*innen mit Ess­stö­run­gen. Jede Schu­le kann aber natür­lich für sich selbst einen indi­vi­du­ell pas­sen­den Plan erstel­len. Es ist hilf­reich, mit Ihren Kolleg*innen eine Arbeits­grup­pe zu grün­den (z.B. mit der*dem Vertrauenslehrer*in, Klas­sen­vor­stand, Sportlehrer*in oder ande­ren), um sich regel­mä­ßig aus­zu­tau­schen und zu unter­stüt­zen. Die kon­kre­ten Gesprä­che mit den betrof­fe­nen Schüler*innen und deren Eltern soll­ten nach Mög­lich­keit eine oder maxi­mal zwei haupt­ver­ant­wort­li­che Lehrer*innen und die*der Direktor*in füh­ren, damit die haupt­ver­ant­wort­li­che Lehr­per­son den Über­blick behält und ange­mes­sen schnell han­deln kann.

Vor dem Gespräch ist es nütz­lich, wenn Sie Ihre kon­kre­ten Beob­ach­tun­gen schrift­lich fest­hal­ten (mit Datum, Ort und Zeit). Beob­ach­te­te Signa­le kön­nen z.B. fol­gen­de Punk­te betreffen:

  • Sozi­al­ver­hal­ten: Iso­la­ti­on
  • Leis­tungs­be­reich: Per­fek­tio­nis­mus oder nach­las­sen­de Leistung
  • Kör­per­li­che Ver­än­de­run­gen: Gewichts­schwan­kun­gen, Schwin­del­an­fäl­le, Frieren
  • Ener­gie­ver­brauch: Bewe­gungs­drang
  • Emo­tio­na­le Reak­tio­nen: sehr beherrscht oder impulsiv
  • Ess­ver­hal­ten: Diät­ver­hal­ten, lang­sa­mes Essen, häu­fi­ge Toilettengänge

Es ist wich­tig, auch Posi­ti­ves zu notie­ren, um das Gesamt­bild im Auge zu behal­ten und im Gespräch eine ange­neh­me Atmo­sphä­re zu schaf­fen. Behal­ten Sie Ihre Noti­zen für sich.

Hal­ten Sie in den fol­gen­den Gesprä­chen zu Ihrer Absi­che­rung IMMER schrift­lich fest, was Sie ver­ein­bart haben, was Sie der/dem Schüler*in (oder auch den Eltern) ange­bo­ten haben und an wen Sie den Fall wei­ter­ge­lei­tet haben bzw. wer infor­miert wurde.

Gesprä­che mit betrof­fe­nen Schüler*innen führen

Gespräch über die wahr­ge­nom­me­nen Auf­fäl­lig­kei­ten
Die*der Schüler*in soll wis­sen, dass Sie sich Sor­gen machen und Ver­ant­wor­tung tra­gen. Spre­chen Sie in Ich-Bot­schaf­ten:
„Ich habe den Ein­druck, dass es dir nicht gut geht.“
Infor­mie­ren Sie die*den Schüler*in, dass Sie ein gemein­sa­mes Gespräch mit den Erzie­hungs­be­rech­tig­ten füh­ren wer­den. Las­sen Sie sich durch Ableh­nung nicht ent­mu­ti­gen: „Auch wenn du die Din­ge anders siehst als ich, bin ich ver­pflich­tet, zu handeln.“

Ziel­ori­en­tier­tes Gespräch mit der*dem Schüler*in und den Erzie­hungs­be­rech­tig­ten
Das Wohl der Per­son soll im Mit­tel­punkt ste­hen, Eltern wol­len das Bes­te für ihr Kind. Sie als Lehr­per­son kön­nen weder die dia­gnos­ti­sche Abklä­rung noch die The­ra­pie über­neh­men. Infor­mie­ren Sie über Unter­stüt­zungs­mög­lich­kei­ten (Schulärzt*innen, Bera­tungs­stel­len etc.). Blei­ben Sie bei Wider­stand sach­lich: „Was kön­nen wir gemein­sam tun, dass es Ihrem Kind bes­ser geht?” Die Eltern sol­len die Ver­ant­wor­tung für wei­te­re Schrit­te übernehmen.

Ziel­ver­ein­ba­rung mit der*dem Schüler*in, den Erzie­hungs­be­rech­tig­ten, Direktor*in und Schulärzt*innen
Wenn sich die Signa­le wei­ter zei­gen, sol­len die Eltern erneut ange­regt wer­den, Hil­fe anzu­neh­men. Zusätz­lich sol­len neue Ter­mi­ne ver­ein­bart wer­den, um den wei­te­ren Ver­lauf zu besprechen

Wenn sich der Gesund­heits­zu­stand des*der Schülers*in ver­schlech­tert, Gesprä­che oder Hilfs­an­ge­bo­te abge­lehnt wer­den
Bei nicht-voll­jäh­ri­gen Schüler*innen ist die zustän­di­ge Kin­der- und Jugend­hil­fe zu infor­mie­ren.
Bei voll­jäh­ri­gen Schüler*innen sind bei einer aku­ten Selbst­ge­fähr­dung Amts­arz­t/-ärz­tin beizuziehen.

BERA­TUNGS­STEL­LEN

Haben Sie Fra­gen zum The­ma Ess­stö­run­gen? Suchen Sie Hil­fe für sich oder Angehörige?
Hier fin­den Sie eine Bera­tungs­stel­le in Ihrer Nähe:

 


 



CHECK IT OUT NOW